Als Duo begeisterten Laurel & Hardy (in Deutschland auch als Dick und Doof bekannt) Zuschauer jeden Alters. „Stan & Ollie“ von Jon S. Baird verspricht mit den Vornamen der Komiker im Titel, die Menschen hinter den Figuren zu zeigen. Die Privatpersonen, die das Puzzle komplettieren. Doch tatsächlich geht es in der neuen Filmbiografie, basierend auf dem Buch Laurel & Hardy — The British Tours von A. J. Marriot, eher um das „und“ — um die Verbindung zwischen den Schauspielern und zwischen ihren Alter Egos. Hängen Stan und Ollie auf die gleiche Weise zusammen wie Laurel und Hardy? Sind sie wirklich Freunde oder einfach nur Businesspartner, von Produzent Hal Roach zusammengebracht und durch das Lachen der Menschen aneinandergekettet?
Nach einem kurzen Ausflug ins Jahr 1937 – Stan und Laurel sind auf der Höhe ihrer Schöpfungskraft, doch das Geld fließt ihnen durch die Hände – beginnt die eigentliche Filmhandlung im Jahr 1953. Fast zwei Jahrzehnte nach ihren größten Erfolgen touren die Komiker durch Großbritannien. Vom Ruhm vergangener Tage ist wenig geblieben; die Hotels sind schäbig, die Hallen klein und menschenleer. Überall geht man davon aus, dass sie längst im Ruhestand sind. Der Produzent, durch den endlich wieder ein neuer Film entstehen soll, meldet sich nicht mehr. Oliver (John C. Reilly) hat gesundheitliche Probleme; zudem hat ihm Stan (Steve Coogan) nie ganz verziehen, dass er auch mit anderen Leinwandpartnern gedreht hat. Immer neue Probleme türmen sich auf, bis unsicher ist, ob das ungleiche Paar je wieder gemeinsam auftreten wird.
Genau wie seine Figuren wirkt der Film altersmilde und harmlos, zudem auf eine sehr moderne Weise antiquiert. Laurel und Hardy lebten abseits der Bühne eher zurückgezogen: Sie gaben kaum Interviews, ihre gemeinsamen Fernsehauftritte kann man an einer Hand abzählen. Jetzt wird diese vermeintliche Informationslücke geschlossen, offenkundig aus nur einem einzigen Grund: Eine Entzauberung, die am Ende in eine noch größere, umfassendere Verzauberung umschlägt.
Nie wird diese ästhetische und erzählerische Grundidee des Films so konzise dargelegt wie in der ersten Sequenz: Stan und Ollie marschieren durch die gewaltigen Studiohallen Hollywoods, durch Umkleideräume und Kulissen, vorbei an Römern und Cowboys, Script-Girls und Produzenten. Plötzlich verhandeln die auf der Leinwand so kindlich-naiven Unruhestifter über Verträge und große Geldbeträge, sie flirten mit knapp bekleideten Darstellerinnen und planen wilde Partys mit verführerischen Diven. Allzumenschliches also. Doch dann kommen sie an ihrem eigenen Set an, stellen sich auf die vorgegebenen Plätze und werden wieder die flüchtigen Zauberwesen, die Kinder zum Lachen bringen. Eine Fahrt in die Kamera, die das Ganze festhält, und plötzlich wird das Bild schwarz-weiß – wir sind in einem Kino und schauen eine Komödie. Die zwei Menschen mit ihren Sehnsüchten und Gelüsten sind widerstandslos in einen Film hineingelaufen.
Nein, diese Filmbiografie will eigentlich keine Fassade brechen, keine Wahrheiten aufdecken, sondern sieht die tatsächlichen Menschen Stan & Ollie lediglich als Verlängerung ihrer Kunstfiguren. Wenn sie vor die Kamera treten, gehen sie in ihnen auf, als hätte es sie nie gegeben. Auf ihrer Reise geraten sie in Situationen, wie man sie aus den Filmen kennt. Dann rutscht etwa ein schwerer Koffer eine lange Treppe hinunter, genau wie die wuchtige Kiste in Der zermürbende Klaviertransport. Ein ikonischer Moment. Doch es bricht kein ulkiges Tohuwabohu aus, Ollie ist die Situation gerade einmal einen resignierten Spruch wert. Das ist keine Gegenszene, die Fiktion gegen Realität ausspielt, sondern eher eine alternative Version desselben Witzes.
Reilly und Coogan spielen ihre Figuren als traurige Clowns. Jede Geste ist von Schwermut gezeichnet, jedes Lächeln wird von müden Augen entkräftet. Ihre Melancholie rührt wohl auch von der Tatsache her, dass die unsterblichen Figuren die alternden Körper längst überstrahlen. Eine reine Imitation liefern die Darsteller zum Glück selten. Sicher, Reilly tritt fülliger auf als sonst, der Größenunterschied zwischen den beiden wird deutlich herausgearbeitet, doch Gesichter und Stimmen erinnern nur entfernt an die realen Vorbilder. Gerade Coogan klingt so überbordend nasal, dass man an seine Parodien aus der Serie The Trip denken muss. Das ist nett, doch einen vollwertigen Charakter ergeben ihre Darbietungen nicht.
Es macht dennoch Freude, ihrem Miteinander beizuwohnen. Die Darsteller tragen die Bühnenshow des Duos so vor, dass man ihren Reiz versteht. Stan arbeitet unentwegt an Witzen, Oliver schlägt kleine Varianten vor. So spielen sie sich Bälle zu, bis ein fertiger Sketch herangereift ist. Auch wenn ihre Freundschaft immer wieder in Frage gestellt wird, bleibt doch immer eine gewisse Grundsicherheit: Wo gemeinsam so etwas erschaffen wird, kann niemals nur Distanz sein. Auf der Leinwand fügen sie einander Schmerzen zu, meist ohne böse Absicht. Mit den emotionalen Schmerzen hinter den Kulissen scheint es nicht anders zu sein. Im Umgang miteinander und mit ihren Ehefrauen Lucille Hardy (Shirley Henderson) und Ida Laurel (Nina Arianda) sind sie rührend liebevoll.
Der Regisseur Jon S. Baird versucht sich mit dem Biopic an so etwas wie Method-Directing: Sein Film wirkt manchmal wie von einem der weniger begabten Studio-Erfüllungsgehilfen abgefilmt. Kompetent, ansehnlich, aber auch ein wenig glatt und seelenlos. Der Film sieht hochwertig aus, die bereits erwähnte Einführung ist ein netter Einfall, darüber hinaus bleibt es aber bei Pastiche. Viele Einstellungen erinnern an die Filme von Laurel & Hardy, gerade die Zweiereinstellungen der Komiker – ein weiterer Beweis für die Echolalie des Films.
Ein vereinzeltes visuelles Leitmotiv hat sich dennoch eingeschlichen: Reaction Shots aus dem Publikum ziehen sich als roter Faden durch den Film. Die Augen der Welt sind immer wachsam, als Bestätigung und Zwang. Erst zuletzt verschwinden sie im blendenden Scheinwerferlicht. In den Zuschauerreihen sehen wir die verschiedenen Zielgruppen, die Verheißung der Kunst; vor allem auch ein Bild für die Nachwelt, die all diese trivialen Meinungsverschiedenheiten vergessen wird, bis nur noch das Lachen bestand hat.
Stan & Ollie ist letztendlich ein weiterer Eintrag in die lange Liste der Filme, welche die Magie des Kinos beschwören wollen, ohne wirklich selbst zu dieser Magie vorzudringen. Das Licht der Scheinwerfer reicht aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart, aber es ist eben nur ein Abglanz. Man lacht gewiss einige Male, vielleicht kullern in einem vollen Kinosaal auch zwei bis drei Tränchen, doch man tut es immer nur mit dem Blick auf die ursprünglichen Filme. Wieso nicht einfach direkt ein paar alte Two Reelers ansehen, statt im Kino von müder Nostalgie gelangweilt zu werden? Heroin statt Methadon, oder präziser: statt Kamillentee. Man schaut sich den transparenten Geister-Film Stan & Ollie nicht wirklich an, man blickt einfach hindurch, zurück in eine wohlmöglich bessere Zeit für das Kino.